Reduktion von Überschusstieren
Tiermodelle leisten heutzutage immer noch einen wichtigen Beitrag in der Entwicklung von Medikamenten sowie in der Erforschung von Grundlagen diverser humaner Erkrankungen. Die großen Fortschritte in der Medizin sind größtenteils derartigen Modellen zu verdanken, wobei Mäuse, insbesondere genetisch modifizierte Stämme, am häufigsten verwendet werden.1
Bei der Zucht fällt oft eine große Anzahl an Überschusstieren an, die in der Forschung nicht eingesetzt werden können. Ruft man sich die Vererbungslehre des Herrn Mendel in Erinnerung, so ist klar, dass bei der Kreuzung zweier Individuen Nachkommen mit unterschiedlichen Genotypen entstehen und keinesfalls alle genetisch ident sind. In der Wissenschaft wird allerdings eine Reproduzierbarkeit der Experimente angestrebt, welche oft nur dann gewährleistet sein kann, wenn man möglichst identische Tiere einsetzt, die ein und denselben genetischen Backround, dasselbe Alter und sogar dasselbe Geschlecht aufweisen.2
Die EU-Richtlinie 2010/63/EU schreibt den Mitgliedstaaten vor, die Zahl aller verwendeten Tiere (nicht nur die im Tierversuchs, sondern auch diese aus der Zucht) statistisch festzuhalten. Alle fünf Jahre wird von der europäischen Kommission eine Statistik dieser Daten veröffentlicht. In dem zuletzt veröffentlichten Bericht aus dem Jahr 2017 ist ersichtlich, dass 12.6 Millionen Überschusstiere in der EU getötet wurden. Die Veröffentlichung der nächsten Zahlen, die 2022 von den Mitgliedstaaten eingereicht werden mussten, wird im Jahr 2024 erwartet.3
Neben der genauen Dokumentation solcher Daten aus Experimenten mit und an Tieren, ist aber auch die Implementierung der 3R (Replacement, Reduction, Refinement) im Versuch gesetzlich vorgeschrieben. Wenn keine passende Ersatzmethode gefunden werden kann, so muss zumindest die Reduktion der verwendeten Versuchstiere angestrebt werden. Somit ist es im Sinne des Gesetzes die Zucht so zu planen, sodass gar keine bzw. möglichst wenig überschüssige Tiere entstehen. Derzeit gibt es kein einheitliches Verfahren, welches zur Optimierung der Zucht herangezogen werden kann. Vielmehr muss nach einem individuell angepassten Konzept gesucht werden. Beispielsweise das Jackson Laboratory bietet dazu Unterstützung in Form eines Worksheets. Das Institut für Labortierkunde der Universität Zürich (UZH) stellt einen BreedingCalculator, eine spezielle Software zu Berechnung der benötigten Zuchten, bereit.4
Abgesehen von der Etablierung einer geeigneten Zuchtstrategie gibt es weitere Möglichkeiten die Zahl der Überschusstiere zu reduzieren oder diese zumindest anderwertig zu verwenden. Prinzipiell ist die Kryokonservierung von Spermien und Embryos ein Mittel zu Erreichung dieses Ziels. Sie führt nicht nur zur Reduktion von Versuchstieren durch Unterbrechung einer kontinuierlichen Zucht, sondern spart auch Kosten, die bei der Haltung enstehen, verhindert Transporte und vermindert das Risiko von Veränderungen des Genoms einer Tierlinie in Form von spontanen Mutationen und genetischen Drifts. Der einzige Kritikpunkt der allerdings anzubringen ist, ist, dass zur Kyrokonservierung selbst, sowie in weiterer Folge zu Revitalisierung der konservierten Linie Tiere benötigt werden.5
Des Weiteren können Überschusstiere anstatt Wildtyptiere oft als Kontrolltiere in Versuchen eingesetzt werden. Wenn dies nicht möglich sein sollte, könnten sie, falls sie unbelastet sind, zu Ausbildungszwecken verwendet werden. In Rahmen von Schulungen und sonstigen Kursen werden oftmals Mäuse benötigt, die somit nicht eigens gezüchtet werden müssten. Eine andere Möglichkeit stellt die Nutzung als Futtertiere dar, wozu allerdings Rechtsbestimmungen nach Artikel 23 der Verordnung EG 1069/2009 einzuhalten sind. Nach bestehendem Gesetz dürfen nur Wildtypen oder höchstens Tiere mit spontanen Mutationen an Zoos oder ähnliche Einrichtungen vergeben werden. Für genetisch modifizierte Versuchstiere wird gemäß Verordnung EG 1829/2003 eine spezielle Genehmigung benötigt, an welcher dieses Unterfangen meistens scheitert. Es wäre aber durchaus im Sinne des Tierschutzes, das Gesetz anzupassen und somit die Verfütterung dieser Tiere zumindest im getöteten Zustand zu ermöglichen. Diesbezüglich werden bereits Diskussionen in Deutschland geführt.6,7
Einige Plattformen zum Austausch von Tieren oder deren Organen bieten eine weitere Möglichkeit der sinnvollen Verwendung. Zum Teil bestehen aber vertragliche Einschränkungen, welche Lizenzen zur Weitergabe an Dritte voraussetzen. Für gentechnisch unveränderte Labortiere gibt es außerdem Adoptionsprogramme, die eine Vermittlung an Privatpersonen ermöglichen.5
In Anbetracht der Optionen, welche bestehen, um die Anzahl an Überschusstieren erheblich zu reduzieren oder wenigstens sinnvolle Einsatzmöglichkeiten zu finden, sollte es kein Problem darstellen im Sinne der Reduktion zu handeln. Es muss Ziel der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft sein, die 3R in der Forschung anzustreben, um ethischen und rechtlichen Ansprüchen des Tierversuches gerecht zu werden.
Quellen:
1) Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, https://www.bmbwf.gv.at/Themen/Forschung/Forschung-in-%C3%96sterreich/Services/TierV/TVStat.html (Zugriff am 19.04.2023)
2) Wewetzer H, Wagenknecht T, Bert B, Schönfelder G. The fate of surplus laboratory animals: Minimizing the production of surplus animals has the greatest potential to reduce the number of laboratory animals: Minimizing the production of surplus animals has greatest potential to reduce the number of laboratory animals. EMBO Rep. 2023 Mar 6;24(3):e56551. doi: 10.15252/embr.202256551. Epub 2023 Jan 30. PMID: 36715165; PMCID: PMC9986809; Buch T, Davidson J, Hose K, Jerchow B, Nagel-Riedasch S, Schenkel J. Reduktion der Zahl nicht verwendbarer Tiere in Versuchstierzuchten, GV SOLAS (März 2022). https://www.gv-solas.de/wp-content/uploads/2022/04/Reduktion-von-Zuchtueberschuessen_03-2022.pdf (Zugriff am 19.04.2023)
3) RL 2010/63/EU Report from the commission to the European parliament and the council, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0015&from=EN (Zugriff am 31.08.2023); Wewetzer H, Wagenknecht T, Bert B, Schönfelder G. The fate of surplus laboratory animals: Minimizing the production of surplus animals has the greatest potential to reduce the number of laboratory animals: Minimizing the production of surplus animals has greatest potential to reduce the number of laboratory animals. EMBO Rep. 2023 Mar 6;24(3):e56551. doi: 10.15252/embr.202256551. Epub 2023 Jan 30. PMID: 36715165; PMCID: PMC9986809.
4) RL 2010/63/EU; Buch T, Davidson J, Hose K, Jerchow B, Nagel-Riedasch S, Schenkel J. Reduktion der Zahl nicht verwendbarer Tiere in Versuchstierzuchten, GV SOLAS (März 2022). https://www.gv-solas.de/wp-content/uploads/2022/04/Reduktion-von-Zuchtueberschuessen_03-2022.pdf (Zugriff am 19.04.2023); The Jackson Laboratory, https://www.jax.org/jax-mice-and-services/customer-support/technical-support/breeding-and-husbandry-support/colony-planning; UZH, https://www.ltk.uzh.ch/en/Breeding.html (Zugriff am 19.04.2023)
5) Buch T, Davidson J, Hose K, Jerchow B, Nagel-Riedasch S, Schenkel J. Reduktion der Zahl nicht verwendbarer Tiere in Versuchstierzuchten, GV SOLAS (März 2022). https://www.gv-solas.de/wp-content/uploads/2022/04/Reduktion-von-Zuchtueberschuessen_03-2022.pdf (Zugriff am 19.04.2023)
6) Verordnung (EG) 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates; Verordnung (EG) 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates; Buch T, Davidson J, Hose K, Jerchow B, Nagel-Riedasch S, Schenkel J. Reduktion der Zahl nicht verwendbarer Tiere in Versuchstierzuchten, GV SOLAS (März 2022). https://www.gv-solas.de/wp-content/uploads/2022/04/Reduktion-von-Zuchtueberschuessen_03-2022.pdf (Zugriff am 19.04.2023)
7) Offener Brief GV-SOLAS zum Thema GVO Verfütterung https://www.gv-solas.de/wp-content/uploads/2023/01/Brief-GVO-Verfuetterung-GV-SOLAS-2022.pdf (Zugriff am 31.08.2023)
Biomodellen (The 3R Society)
Postfach 0014
A-8036 Graz